Sonntag, 28. Februar 2010

Leben II - Tag 1

Vorwort

Ein neuer Job, ein neues Land, ein neues Leben. Das zweite in meinem Fall.

Beschränken sich unsere generellen Kommunikationsmöglichkeiten zu Beginn des ersten Lebens im allgemeinen auf fröhliche Gluckser und lange Aneinanderreihungen von Vokalen, sieht der Fall bei mir, nachdem 30 Jahre, 3 Monate und 26 Tage seit meinem ersten Vokal vergangen sind, deutlich besser aus. Dankbarer Weise kommt mir in dieser unserer hoch-technologisierten Zeit aber nicht nur meine Fähigkeit Konsonanten zwischen die Vokale zu quetschen zugute, sondern auch noch das Internet so dass ich mich hier, all den Wünschen nach Nachricht von mir entsprechend, mal so richtig und hoffentlich auch möglichst regelmäßig austoben kann, mit dem Ziel euch zu informieren und, soweit möglich, das eine oder andere Lächeln in eure Gesicht zu zaubern. Drücken wir uns an dieser Stelle mal gegenseitig die Daumen, dass das was wird...

Tag 1

Mir wurde gestern geraten, noch im Flugzeug aufzuschreiben, was mir gerade durch den Kopf geht, da die in diesem Augenblick festgehaltenen Gedanken meistens die ehrlichsten und die interessantesten ihrer Art wären, die man so von sich gibt, wenn man mal eben mit Sack und Pack in ein anderes Land auswandert in dem man niemanden kennt. Versuchen wir es mal:

Ich bin müde. Und hungrig.

So trivial diese beiden Gedanken auch sein mögen, sind sie doch allgegenwärtig und überschatten spielend jeden Anflug von Nervosität, der sich jetzt irgendwann vielleicht dann doch mal einstellen könnte. Niemand wandert mit Sack und Pack in ein Land aus in dem er niemanden kennt, ohne weiche Knie zu bekommen. Sowas gehört sich einfach nicht. Es ist der Situation gegenüber einfach respektlos und eigentlich liegt es mir fern der armen kleinen Nervosität ihren großen Tag zu versauen auf den sie so lange warten musste. Aber durch die beiden vorherrschenden Zustände Hunger und Müdigkeit kommt die arme Nervosität einfach nicht zu ihrem großen Augenblick.

Schweigen wir an dieser Stelle eine Minute für sie.

Da sich sonst nicht allzu viel in einem Flugzeug zuträgt, das sich durch eine massive Wolkendecke wälzt, und das Gefühlschaos wohl bis auf weiteres andere Leute pisakt oder das Nickerchen macht, das ich eigentlich halten sollte, nutze ich die Zwischenzeit, um über die eine witzige Anekdote zu berichten, die sich heute ereignet hat. Sie handelt von der Sicherheit in Flugzeugen.

Wie jeder Fluggast musste auch ich das Hab und Gut, das ich als Handgepäck mit mir führe, durchleuchten lassen, um mir jegliche Chance zu nehmen, den Flieger zu kapern und ihn mal eben spontan zu einem Schlenker über Mailand zu zwingen. So weit so gut.

Nachdem ich unbehelligt durch den Scanner für Personen kam (nein, nicht den der Leute nackt zeigt), musste ich feststellen, dass meinem Rucksack dieses Glück verwehrt blieb und sich zwei Beamte dicht über den Bildschirm beugten, um den Inhalt der Tasche zu analysieren. Kurz darauf rief mich einer der beiden freundlichen Beamten zu sich und erklärte mir, dass sich in meinem Rucksack ein länglicher Metallgegenstand befände, den er sich gerne einmal ansehen würde. Da ich komplett ahnungslos war und auch keinen Grund zur Sorge hatte, öffnete ich meinen Rucksack und ein 29 Jahre alter Teddybär fiel heraus. Trotz leicht peinlicher Situation entspannte sich der Beamte sichtlich.

Kurz darauf fanden wir den verdächtigen Gegenstand: Meinen alten Zirkel, den ich noch aus meiner ersten Ausbildung habe, der 50 Euro gekostet und eine metallene Spitze hat, die man hervorragend in Papier und so dämmerte es mir, Piloten stecken kann, wenn der Ruf nach Mailand übermächtig wird. Nun besitzt dieser Zirkel für mich mittler Weile besten falls noch ideellen Wert und während der Beamte mit dem Zirkel und der Federtasche, in der sich selbiger befunden hatte, zu seiner Kollegin ging, um die Lage zu besprechen, packte ich entspannt meinen Teddy wieder ein und gewöhnte mich an den Gedanken, dass der Zirkel wohl Heute seinen Besitzer wechseln würde. Solange ich nur an Board des Flugzeuges kam, durften die Herren alles beanstanden, was ihnen, idiotisch oder nicht, als gefährlich für die Reise erschien. Mir war‘s egal, obwohl ich gerne das Gespräch der Beamten gehört hätte, in dem sie vermutlich überlegten, wie hoch die Chance ist, dass ein Typ mit Teddybär im Rucksack ein Flugzeug mit einem Zirkel kapert.

2 Minuten später kam der Beamte zu mir zurück, sagte mir, dass alles in Ordnung sei und ich den Zirkel behalten dürfe und legte den Zirkel zurück in meine Federtasche. Hätte er in dem Augenblick mein Gesicht gesehen, hätte er in 2 aufgerissene Augen geschaut. Wäre er dem Blick dieser Augen gefolgt, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass er den Zirkel in der Feder-tasche direkt auf 2 original eingepackte chirurgische Skalpell klingen gelegt hatte, die ich zum Zeichnen brauche und die ausgepackt ihrer Natur entsprechend in jeder Hinsicht der Definition des Wortes "scharf" entsprechen.

Glücklicher Weise sah er meinen Blick aber nicht und weitere Gespräche blieben aus. Ich halte es eh für ein ziemlich gewagtes Unterfangen 120 Iren mit einer Skalpell klinge blöd kommen zu wollen, aber auch diese Diskussion wollte ich nicht weiter ausdehnen. Soweit zur Anekdote. Was wir daraus lernen können ist, dass genügend irritierendes Zeug auf einmal in einer Tasche die beste Tarnung für Zeug ist, mit dem man mal nach Mailand fliegen kann…

Zeitsprung

Mittler Weile bin ich gelandet, habe mein Hotelzimmer bezogen und mich dank Dusche und ziemlich teurem Essen aus dem Supermarkt wieder in einen Menschen verwandelt. Die Beschaffung einiger Sandwiches ging dann direkt mit einer ersten Erkundung der Stadt einher. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau, die Stadt brummt vor Leben und positiver Energie und in mir macht sich so langsam aber sicher der Schock breit. Hier lebe ich jetzt? Wirklich? So in echt? Wie geht denn das? Heute Morgen ging’s noch durchs nasskalte Berlin und plötzlich sitze ich hier in etwas, das wie ein Urlaubsort wirkt, von dem man gewohnt ist, dass man ihn in spätestens 14 Tagen wieder verlassen muss. Nur irgendwie finde ich in keiner meiner Taschen ein Rückflugticket und das Service Angebot des Hotels beinhaltet trauriger Weise keinen Mitarbeiter, der mal eben vorbei kommt und mich kneift.

Die Stimmung hier zu beschreiben ist nicht ganz einfach aber ich versuch’s mal. Man stelle sich einen der Szenebezirke Berlins an einem Sommertag vor, an dem alle gute Laune haben und entferne dann so viele Menschen, bis man das magische Maß erreicht hat, bei dem ein Ort belebt, aber nicht überfüllt wird. Wer sich das vorstellen kann, hat’s gut. Alle anderen verstehen jetzt zumindest, wie schwer es ist einen Vergleich zu finden. Um die ganze Sache etwas zu vereinfachen, habe ich das eine oder andere mal recht willkürlich meine Kamera dazu bemüht einzelne Orte und Momente einzufangen. Was auf den Bildern zu sehen ist, kann ich bis jetzt leider auch noch nicht sagen. Ich war im Augenblick des Photographierens zu faul mich weiter mit dem Motiv zu beschäftigen, aber sowie es sich ergibt, werde ich dieses Versäumnis nachholen. Versprochen.















Ansonsten geht es in meinem Kopf gerade ziemlich ambivalent zu. Gute Laune und ein Gefühl, als wäre mir gerade eine Handgranate aus der Hand gefallen geben sich die Klinke in die Hand und über allem liegt eine bleierne und ziemlich betäubende Müdigkeit, die mich gerne in eines der 3 Betten in meinem Zimmer (keine Ahnung warum ich die alle habe) zwingen würde, wäre da nicht eine durchgehende Unruhe in mir.

Ich freue mich auf morgen, wenn’s mit dem eigentlichen Thema wirklich losgeht und der Kopf mal wieder ein bisschen was produktives leisten muss. Berichte davon folgen dann selbstverständlich auch. Für heute war‘ das aber erstmal. Wer sich bis hierher durchgebissen hat, darf sich an dieser Stelle eh mal au die Schulter klopfen. Verdient habt ihr es.

In diesem Sinne bis morgen,

Robert ist raus.

P.S.: Mir fiel gerade auf, dass ich von fröhlichen Menschen geredet, aber nie einen fotogrphiert habe. Wird auch nachgereicht :-)