Sonntag, 14. November 2010

Tag 253 – Mein Moment des Tages

Heute (Samstag) war ich mit einigen meiner Kollegen in der Stadt unterwegs und etwas trinken. „Socializing“ nennt sich so etwas dann immer, weil man auf diese Art und Weise seinen Kollegen näher kommt und sich dann auf den Fluren lächelnd zunicken kann und dann zur Abwechslung auch den Namen des anderen weiß (wenn man nicht zu viel am Abend getrunken hat). Aber darum soll es hier und heute nicht gehen.

Am Ende des netten Abends, als die Pubs gegen 2 Uhr morgens kurz vor der Sperrstunde waren und die Leute so langsam nach Hause taumelten, machte auch ich mich in sehr entspannter Gemütslage auf den Weg in meine Wohnung. Irgendwann überholte ich eine Frau von der ich erst dachte, dass sie sich den Mund zuhält weil sie sich übergeben muss, bis mir auffiel, dass sie da relativ alleine weinend die Straße runter lief. Unsere Blicke trafen sich und weil mir einfach weggucken und weitergehen herzlos vorkam fragte ich die offenkundigste und eigentlich auch blödeste Frage überhaupt: „Ist alles okay?“ (natürlich auf Englisch). Als sie mir daraufhin erklärte, dass für sie nie wieder etwas okay sein wird, überschritt ich emotional die Brücke zwischen Smalltalk und einer Bekanntschaft, was recht seltsam war, wenn man bedenkt, dass wir jeder nur einen Satz zum anderen gesagt hatten. Aber auch wenn es normalerweise immer eine gute Floskel ist, wenn man jemandem sagt, dass es einem für den anderen leid tut, meinte und fühlte ich das in dieser einen Sekunde wirklich und sie glaube ich auch. Sie drehte sich um, umarmte mich und bedankte sich dafür, dass ich einfach nur einmal nachgefragt und Interesse für sie gezeigt hatte. Einige Sekunden später stieg sie in ein Taxi und war weg.

Ich werde sie nie wieder sehen oder ihren Namen erfahren. Ich werde nie erfahren was ihr so zugesetzt hat und mit Sicherheit werde ich auch nie wissen, was aus ihr geworden ist. Ich hatte, als sie im Taxi davon fuhr, noch den Gedanken, dass ich ihr hätte sagen können, dass so ziemlich jeder Mensch von irgendjemandem geliebt wird, in der Hoffnung, dass es wenn schon nicht besser, dann wenigstens erträglicher wird.

Aber das ist nicht der Punkt der Geschichte. Der Punkt ist, dass man mit offenen Augen und Ohren sogar in einer kalten Nacht zwischen tausenden betrunkenen Menschen einen finden kann dem man nicht vollkommen egal ist und umgekehrt dass es da draußen hin und wieder Menschen gibt, die dankbar sind, wenn man nicht wegguckt und einem das, wenn auch nur für eine Sekunde, mit einer tiefen emotionalen Offenheit und Bindung danken, die man sonst erst nach Wochen und Monaten des Kennenlernens erfährt.

Danke für’s lesen.

Robert ist raus.

7 Kommentare:

  1. Ich hab letzten auch eine junge Frau in der U-Bahn gesehn, die in sich hinein geweint hat. Ich hab mich kurz selbst gefragt ob ich sie ansprechen sollte, nur erstens kam meine Station bevor ich mich entscheiden konnte, zweites ist das Berliner U-Bahn und drittens saßen da noch gut 8 andere Leute die Sie teilweise deutlich länger und genauer beobachteten als ich.

    Aber wenn ich mir das Recht überlege hätte ich Sie warscheinlich nicht angesprochen. Genau sagen kann ich allerdings nicht warum nicht.

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  2. "[On a bridge across the severn] on a saturday night [susie meets the man of her dreams; a sense that he got] in trouble [and if she doesn`t mind he doesn`t want the company] but there`s something in the air, they share a look in silence and everything is understood"
    Oder nicht?

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  3. alle drei tage oder was war der plan?

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  4. Nie wenn ich in Berlin bin. Sollte klar sein.

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  5. tja DAS wusste ich ja nicht.

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  6. müsstest nicht langsam mal wieder "zu hause" sein?

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