Mittwoch, 1. Juni 2011

Tag 454 – S.a.C.r.a.C. #027 und die Frage, die mich wach hält

Vorwort: ich stecke in einem Dilemma und werde dieses im Folgenden ausführlich und mit einer anständigen Erklärung erläutern. Wer keine Lust auf Geschichten über schlechte Menschen, arme Menschen und mein Problem damit hat, sollte zur Postkarte runterscrollen. Ab da ist die Welt wieder schön. Für alle anderen geht es hier weiter:

Ich liebe meinen Job. Das vorne weg. Es ist nicht das was ich für den Rest meines Lebens machen möchte, aber im Augenblick macht er mich sehr glücklich und ich gehe jeden Tag gerne ins Büro, um mir da meine Brötchen zu verdienen und auch wenn ich mal über die eine oder andere Gegebenheit mecker oder mich hin und wieder etwas innerhalb der Firma stört, ist es trotz allem fast immer eine gute Zeit die ich im Büro verbringe und mir fällt nur wenig anderes ein, das ich im Augenblick lieber tun würde. Ich arbeite als Customer Support Representative, oder umgangssprachlich „Gamemaster“ für den Betreiber eines großen Online Rollenspieles in dem Millionen von Spielern jeden Tag virtuellen Gefahren ins Auge blicken, Kontakte pflegen und im Idealfall einfach Spaß haben. Der Name der Firma ist vielen bekannt, tut hier aber nichts zur Sache.

Innerhalb des Spieles gibt es neben unzähligen Abenteuern auch ein recht vollständiges ökonomisches System, das es Spielern ermöglicht, ihr in Abenteuern verdientes virtuelles Gold in Dienstleistungen und neue Gegenstände für ihre Charaktere zu investieren und wie bei vielen anderen erfolgreichen Online Rollenspielen hat auch unser Spiel das Problem, dass es zum einen Menschen gibt, die sich das Gold zum Handeln nicht hart erkämpfen, sondern lieber für echtes Geld kaufen wollen und zum anderen Händler, die diese Nachfrage erkannt haben und das entsprechende Angebot liefern. Dieses wird von den meisten Betreibern und so auch meinem aus verschiedenen Gründen nicht toleriert und so gut es technisch möglich ist verfolgt und bekämpft. Denn neben der Tatsache, dass der Goldhandel das bestehende wirtschalftliche System empfindlich stört, sorgt er auch dafür, dass Spieler mit Geld unfaire Vorteile gegenüber anderen Spielern genießen, denen das Geld nicht so locker in den Taschen sitzt, was so nicht gedacht ist, da ja in guten Spielen der beste, nicht der reichste Spieler, der „Gewinner“ ist. Außerdem motiviert es Menschen dazu, echtes Geld in nicht reale Leistungen zu investieren, da ihnen ihr Reichtum in der virtuellen Welt im echten Leben nichts bringt, was besonders jüngeren und labilen Spielern zum Verhängnis werden kann. Da wir unser Geld damit verdienen, dass alle Spieler eine gute Zeit im Spiel verbringen und der öffentliche Ruf, den eine Firma genießt, besonders im Internet über Erfolg und Konkurs entscheidet sind wir dem entsprechend aus eben jenen Gründen recht fleissig am Eindämmen und Verfolgen und Wahren der Interessen, die ein Großteil der Spieler hat, wenn sie sich auf unseren Servern anmelden.

Ein weiterer nicht so vielen Menschen bekannter Grund, warum der Handel mit virtuellem Gold ein so massives Problem ist, ist die Herkunft des Goldes. Dieses wird von den Händlern nämlich in den allermeisten Fällen nicht tapfer erspielt, sondern zuvor anderen Spielern gestohlen, erschummelt oder von dafür eingestellten Menschen erarbeitet, die das Spiel schon lange nicht mehr zum Spaß spielen, sondern damit ihre Existenz finanzieren. Diese Menschen sitzen zum allergrößten Teil im asiatischen Raum (wir reden hier von Hunderttausenden Menschen), verdienen mit dieser Arbeit einen absoluten Hungerlohn und sind das unterste Glied einer Organisation, die man ohne Übertreibung als „Mafia“ bezeichnen kann.

Bis hierhin ist alles gut und ich habe keine Probleme. Es tat mir zwar immer schon ein wenig um die armen Teufel leid, die 16 Stunden am Tag auf den Bildschirm starren und immer wieder und wieder und wieder in den gleichen Strecken durch die Welt ziehen und Gold sammeln, das verwöhnten Schummlern in der ersten Welt verkauft wird, die, selbst wenn sie Sozialhilfe beziehen, im Verhältnis zu jenen Menschen in Asien in unerhörtem Luxus leben. Aber das ist halt der Lauf der Welt, die an an vielen Ecken und Enden ihre Probleme und Haken hat und gerade in China gibt es Jobs, die schlimmer sind (Ich habe nichts gegen das Land und seine Menschen im Allgemeinen).

Nun machte in der letzten Woche zum ersten mal ein Artikel die Runde, in dem sich ein ehemaliger Chinesischer Häftling über sein „Leben“ (nennen wir es mal so) im Gefängnis geäußert hat und davon berichtete, dass er mit diversen anderen Häftlingen nach der regulären Arbeit im Arbeitslager noch virtuelles Gold verdienen musste. Wer sein Soll nicht schafft, wird verprügelt und natürlich wird unbezahlt gearbeitet. Es wird wohl auch niemand etwas anderes erwartet haben.

Und hier beginnt mein Dilemma. Meine Arbeit ist auf ihre Weise wichtig. Sie heilt zwar keine Krankheiten, beendet keine Kriege und trägt auch nichts zur Arbeit der Welthungerhilfe bei, aber das Spiel, solange es gut und wie gewünscht läuft, finanziert in großen Teilen die Firma, die mit dem Geld ein paar Tausend Mitarbeiter bezahlt und damit einem ganzen Stapel Menschen eine Existenzgrundlage gibt. Ungewollt und nicht so geplant verschafft das laufende Spiel jenen regulären, angestellten Goldsammlern in Asien (wie gesagt ein paar Hundertausend Menschen) einen Job, der sie trotz aller ärmlichen Verhältnisse vor dem Betteln bewahrt, weil viele der Angestellten ungelernt und ohne Ausbildung sind und es auf dem regulären Arbeitsmarkt schwer hätten. Diesen Menschen mal von den Spielern abgesehen, tue ich also auf eine zeitweise recht paradoxe Weise einen Gefallen, wenn ich sie jage und ihnen das Leben schwer mache. Was mir Bauchschmerzen bereitet sind jene anderen Menschen. Die die zwar auch so schon ein Dasein fristen, dass man hier keinem Hund zumuten würde, denen es aber nochmal schlechter geht, wenn ich meine Arbeit gut mache und ausgerechnet einem von denen an den Karren fahre (was ich nicht sehen oder erkennen kann). Kurz: Wie rechtfertigt man das Leiden weniger mit dem Wohl vieler? Eben jene Frage, welche Vulkanier in Sekunden mit mathematischer Logik und Ameisen und Bienen rein instinktiv beantworten, stellt mich vor das nicht lösbare Problem, dem Wert eines Menschen einen finanziellen Wert zuzuschreiben. Aber alleine das Schreiben dieses Textes macht es etwas einfacher und klarer für mich.Und damit jetzt recht schnell und hart zum nächsten, fröhlicheren Thema, der aktuellen Postkarte:



„Aktuell“ ist dabei fast schon gelogen. Die Karte kam vor 2 Wochen an und ist damit eigentlich schon alt, aber da ich ja nun so lange nicht geschrieben habe, habe ich es hiermit einfach mal nachgeholt. Technisch gesehen ist diese Karte nur in sofern neu, dass ich hier zum allerersten mal alle Linien in einer Karte mit Pinsel und Tinte nachgezeichnet habe und auf Fineliner gänzlich verzichtet habe. Ich bin was diese Technik angeht mittlerweile ziemlich geübt und die Hand fühlt sich mit dem Pinsel nun so vertraut, dass das Eintauchen des Pinsels ins Tintenfass fast schon eine störende Verzögerung darstellt (jammern mit Niveau ;-)).

Für mich wirklich interessant ist das Motiv, denn zum ersten mal habe ich Farbe bekannt und ein Projekt grafisch realisiert, das mir schon seit Jahren im Kopf herumgeht und das ich mit etwas mehr Zeit (und Mut) gerne realisieren würde: Einen eigenen Comicstrip. Diese Idee ist der eigentliche Grund, warum Tim, Bruno und der namenlose Hase (er bleibt auch erst einmal namenlos) überhaupt existieren und immer wieder in verschiedenen Zeichnungen aufgetaucht sind: Ich übe und trainiere und versuche die Figuren immer weiter zu entwickeln und in einem einheitlichen Stil unterzubringen. Bei Bruno und dem Hasen geht das erschreckend einfach. Die Figuren haben sich fast aus dem Stand von selber entwickelt, wurden körperlich nur nach und nach leicht angepasst und haben, wenn ich mir überlege wie das bisherige Feedback von Euch zu ihnen war, immer gut funktioniert. Probleme hab es immer mit Tim. Der Gute hat an die 100 Versuche und verschiedene Entwürfe bis zu seiner aktuellen Erscheinung gebraucht und ich bin immer noch nicht fertig mit ihm. Das liegt zum einen daran, dass die Figur optisch ein wenig komplexer ist, zum anderen aber auch daran, dass Cartoontiere die meisten Menschen viel schneller und leichter ansprechen. Charly Brown wird von vielen gemocht, aber Snoopy und Woodstock schafften es immer schneller in die Herzen der Leser. Und auch Garfield war eigentlich der Nebencharakter während John die erste Geige spielen sollte, was Jim Davis aber dann schnell änderte. Es ist also nicht leicht einen vollwertigen Menschen zu erschaffen, wenn er neben Tieren bestehen soll.

Die Idee zum Titel kam mir schon vor einer ganzen Weile. Er muss vermutlich irgendwann erklärt werden, aber das hebe ich mir für den Moment auf, wenn ich das Projekt wirklich einmal in Angriff nehme. Hier und jetzt habe ich die Hosen weit genug runter gelassen und ob aus dem Wunsch jemals etwas wird, werden wir ja in den kommenden Jahren sehen. Ich selber bin vermutlich am gespanntesten. :-)

Und damit reicht es für heute dann auch und ich mache hier jetzt nach bald 1500 Wörtern Text endlich und recht schnell Schluß für heute. Habt einen tollen Mittwoch, genießt den Sommer (überschüssige Wärme darf gerne nach Cork versendet werden) und bis bald,

Robert ist raus.

1 Kommentar:

  1. ....und die Frage ist so alt wie die Menschheit. Viele haben versucht das Übel auf der anderen Seite der Kugel (wo auch immer das ist) in Angriff zu nehmen und für ein bisschen mehr "Gerechtigkeit" gekämpft. Aber die traurige Wahrheit ist nun mal, dass es ohne Licht keinen Schatten gibt, und die Situation im Spiel lediglich die Realität wiederspiegelt.

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