Montag, 24. Mai 2010

Tag 83 – S.a.C.r.a.C. # 007 – Kissing Tulips

Guten Augenblick. Wieder einmal mache ich mich auf den Weg in bereits erforschtes Gebiet und präsentiere stolz das besiegte, ausgeweidete und konservierte Untier, das viele unter seinem Namen „vergangenes Wochenende“ kennen und fürchten. Man wusste schon lange vorher, dass es wieder zuschlagen würde und trotzdem kam und ging es dann doch wieder viel zu schnell und hinterließ nicht viel mehr als ein Gefühl der Leere, und der Hoffnung, dass es beim nächsten mal erfüllender werden würde. Viele vergessen dabei natürlich immer wieder, dass es der Kampf mit dem Untier ist, der dafür sorgt, dass es einen erfüllt, denn nur wer den Augenblick erlebt, kann ihn auch in sich behalten. Oder kurz, um das Glückskeks-Land damit dann auch wieder zu verlassen: Wer das Wochenende über nur rumeiert, muss sich hinterher nicht wundern, wenn nichts Gescheites dabei rauskommt. In diesem Sinn, könnte ich mir eigentlich selber in den Nacken schlagen, aber da ich nicht gänzlich untätig war, hält sich meine Hand noch zurück und hämmert lieber auf die Tastatur ein.

Trotzdem gibt es eigentlich nicht viel zu erzählen. Das Wochenende wurde schlafend, essend, zeichnend und faul Filme guckend verbracht und nicht ein einziges Pub konnte an diesen Tagen seinen Umsatz durch meine Anwesenheit steigern. Denn irgendwie war weder mir und Julia danach und so blieb es denn bei Balkonien oder so. Immerhin war das Wetter hier aber so schön (In your face, Germany!), dass man den ganzen Tag über auf dem Dach auf dem weichen Kunstrasen hätte liegen können, aber auch danach war mir nur zeitweise. Wer mich kennt, kennt meine tiefe Zuneigung zu UV Strahlen freien Gebieten, nicht weil ich die Sonne als solche ablehne, sondern weil ich einfach keine Lust auf Sonnencreme ODER Sonnenbrand habe. Andere Menschen und etwaige Vampire mögen das anders sehen, aber das soll nicht meine Sache sein. Jedenfalls saß ich aber trotzdem am späten Nachmittag auch da noch auf dem Dach und habe zum ersten mal seit fast 3 Monaten in meinem Irlandbuch weitergelesen und kuriose Sachen gelernt. Zum Beispiel, dass die Iren die deutsche Touristen bis Anfang der 90er noch mit „Heil Hitler“ gegrüßt haben und das aus 2 Gründen:

1) In einem offiziellen Englisch – Deutschen Wörterbuch (der Verlag ist mir gerade entfallen) wurde „Heil Hitler“ mit „Hurrah“ übersetzt und
2) Gingen die Iren davon aus, das kein Volk, das die Engländer bekämpft wirklich böse sein kann (da tun sich wieder tiefe Abgründe auf)

Erst in den 90er, als Asylantenheime Feuer fingen und Immigranten durch S-Bahn und Glastüren „fielen“ setzte die Erkenntnis ein, dass auch Feinde der Engländer nicht zwingend Freunde sein müssen und so kaufte man sich ein neues Wörterbuch und eine aktuelle Zeitung und brachte sein Weltbild auf einen zeitgemäßen Stand. Heute sind die Deutschen in Irland als angenehme und höfliche Mitarbeiter bekannt, die anständig arbeiten, gute Autos bauen und ihr Bier blöder Weise viel zu langsam trinken, was in Pubs immer wieder zu Frust führt, wenn es darum geht, wer die nächste Runde bezahlt. Ich arbeite gegen den letzten Punkt an, aber ein durstiger Ire schlägt mich trotzdem noch um Längen.

Nennenswerteste Leistung neben dem ganzen Gezeichne war dann noch, dass ich zum ersten mal in meinem Leben die Fenster meiner Wohnung freiwillig geputzt habe, was das farbliche Spektrum meines Ausblicks um gefühlte 9 Milliarden Farben erweitern würde, wenn ich die Aussicht nicht an einer grauen Hauswand enden würde. Trotzdem war es ein gutes Gefühl und wenn man sich jetzt an das Fenster stellt, ist der erste Gedanke nicht mehr „Oh Gott, schon wieder Nebel über der Stadt“. Toll.

Zeichnerisch habe ich Neuland betreten und zum ersten mal etwas wirklich und wahrhaftig farblich umgesetzt. Jahrelang habe ich mich davor gesträubt, weil ich mit jedem Stand, den ich erreicht hatte dachte, dass es hinterher besser aber eben auch schlimmer werden könnte und so kamen viele Zeichnungen nie über den Skizzen Status hinaus. Damit ist jetzt aber Schluss! Robert hat neben seinen beiden Beinen und einigen anderen Körperteilen plötzlich auch Arsch in seiner Hose gefunden und so kam folgendes dabei heraus:



Das ganze geht stark in Richtung Stillleben und zeigt ein Büschel stilisierter Tulpen, was bei den bisher gekauften Copic Farben rot, grün, schwarz und grau ein logischer Schritt war, wenn man Blumen zeichnen möchte. Rosen wären natürlich auch gegangen, aber nach denen war mir irgendwie nicht. Eigentlich war das Bild dann so auch schon fertig und absende bereit, aber einige kritische Stimmen sprachen sich dann dafür aus, das ganze mit einigen Schatten zu versehen, um mehr Struktur und Stimmung in das Bild zu bringen und so habe ich mich in einer experimentellen halben Stunde noch einmal hingesetzt und das Bild überarbeitet:

[Das Bild ist gerade offline und wird bei Bedarf hochgeladen.]

Nun wirkt es strukturierter und düsterer und die Meinungen, welche Version besser ist, gehen auch jetzt schon auseinander. Die einen begrüßen den hellen freundlichen Charme der leichter schattierten Tulpen, bei denen ich zum Schattieren halt nur immer wieder und wieder mit dem Filzstift einige Bereiche nachgezeichnet habe, während andere das dunklere und stilisiertere Motiv bevorzugen, weil es insgesamt etwas edler wirkt. Vermutlich weil es durch die Form der Schatten und die klaren harten Schatten plötzlich doch ein wenig mehr an Rosen erinnert, als an Tulpen. Trotzdem erkennen Menschen mit wenigstens hellgrünem Daumen immer noch die richtige Pflanze und so ist es am Ende so oder so gelungen. Ich selber bevorzuge die erste Version ein kleines bißchen mehr, sehe aber auch, was andere Menschen an der zweiten Version mögen. Letztlich ändert es nichts. Die Tinte ist auf dem Papier und die zweite Version ist die endgültige Version. Da die erste aber auch irgendwie schön ist, habe ich dieses mal beide Versionen hier dargestellt. Passt schon.

Und im Prinzip war es das damit aber auch schon. Das Leben hier ist im Prinzip genau so wie es in den letzten Monaten schon war, nur ärmer an Neuigkeiten und reicher an Sonnenschein, was wohl verglichen mit dem letzten Jahr eine deutliche Steigerung ist, aber ansonsten halt wie immer. Wenn es etwas neues gibt, wird es hier im Laufe der Tage auch wieder veröffentlicht, aber für Heute reicht es erst einmal und ich wünsche euch nun noch eine Sammlung weiterer angenehmer Augenblicke und weiterhin viel Spaß, was auch immer ihr treibt, wenn ihr euch nicht gerade von mir ablenken lasst.

Robert ist raus.

P.S.:
Gilly: Grundsätzlich wiederspreche ich Dir da nicht, schon weil Du Dich früher mit der Musik beschäftigt hast und es mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit besser weisst. Tatsächlich hatte die erste von mir gehörte Rap Musik (von 2 Live Crew) nicht allzuviel mit East oder West Coast Rap sondern eher mit anderen zentral gelegenen Bereichen menschlicher Körper gemein. Aber die ganze Küstengeschichte der 90er Jahre verschwimmt für mich zu einem mäßig interessanten Brei, da mir die Küste damals wie heute egal war. Ich hab's nur schnell aus dem Gedächtnis niedergeschrieben, ohne Anspruch auf 100%ige historische Richtigkeit. Aber dein Einwand war gut.

Scholli: Öffne eine aktuelle Word Version und schreib in Schriftgröße 110 ein großes "C" in der Schriftart "Edwardian Script ITC" - Voilá! :-)

3 Kommentare:

  1. ein großes HURRA für die entdeckung (Arsch in Hose)
    die karte ist dir wirklich gelungen.
    deine überzeichnung für das tattoo ist großartig. würde ich mir auch stechen lassen.

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  2. Ich kann nicht widerstehen und muss meine Stimme der zweiten Variante geben. Irgendwie wirkt die plastischer... Aber jedem das Seine.

    Farbe ist cool! ;)

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  3. Variante 2 wirkt meiner Meinung nach besser :)

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